Amtsmodell löst keine gesamtinsularen Probleme

Plötzlich ist es wieder auf der Tagesordnung – das sogenannte Amtsmodell. Ohne weitere Begründung beantragt die Sylter Wählergemeinschaft den Beitritt der Gemeinde Sylt zum Amt Landschaft Sylt und der Bildung einer gemeinsamen Amtsverwaltung zum 01.07.2023. Auch die insularen Christdemokraten sehen in dem Modell wieder einen Weg für die Zukunft der Insel. Für die Sylter SPD ist diese erneute Diskussion ein Rückgriff auf die Vergangenheit und keine Lösung für die Zukunft.

Erst im Herbst 2020 lehnte die Gemeindevertretung Sylt das Amtsmodell nach mit Fachleuten besetzten Informationsveranstaltungen und ausführlichen Diskussionen ab. Und an der Grundlage dieser Entscheidung hat sich, so die Sylter Sozialdemokraten, nichts, aber auch nichts geändert.

Die Befürworter behaupten, dass die Neukonstruktion der Sylter Verwaltung ein Schritt zu mehr insularer Einigkeit sei, um zum Beispiel das aktuell diskutierte Beherbergungskonzept durchzusetzen. „Genau dieses Ziel lässt sich mit der Amtsordnung, die seit 2003 im Land gesetzlich detailliert geregelt ist, nicht erreichen. Insular einheitliche Regelungen kann das Amt nur durchsetzen, wenn die Gemeinden ihm dazu die entsprechenden Aufgaben übertragen. Welche Aufgaben das sein können, definiert ein detailliert definierter Katalog mit 15 Punkten. Und genau die Punkte, die das Beherbergungskonzept betreffen, sind nicht dabei, können also nicht vom Amt gesamtinsular geregelt werden. Es dürfen sowieso nur fünf Aufgaben wie zum Beispiel Wasserversorgung, Schulträgerschaft oder Breitbandversorgung auf das Amt übertragen werden. Das müssten SWG und CDU bei der Lektüre des Gesetzestextes eigentlich auch herausgefunden haben“, wundert sich SPD-Gemeindevertreter Gerd Nielsen.

Nielsen und sein Kollegen Eberhard Eberle sehen in dem erneut aus der Versenkung geholten Modell nur Nachteile für die Gemeinde Sylt: „Jetzt haben wir als Selbstverwaltung einen direkten Zugriff auf die Verwaltung. Wir als gewählte Gemeindevertreter sind das Bindeglied zwischen den Bürgern und Verwaltung. Und der Chef der Verwaltung ist der Bürgermeister, der auch direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wurde. Treten wir dem Amtsmodell bei, werden von den Parteien Vertreterinnen und Vertreter  in den Amtsausschuss entsandt, die dann den Chef der Amtsverwaltung bestimmen. Die Wählerinnen und Wähler haben dann nur noch sehr indirekt Einfluss auf die Entscheidungen in der Gemeinde.“ Außerdem geben die erfahrenen Gemeindevertreter zu bedenken, dass Westerland nicht nur eine Zentralfunktion für die Gemeinde Sylt, sondern für die ganze Insel erfüllt: „Diese Realität kann nur sinnvoll organisiert werden, wenn die Gemeinde selbst über die entsprechende Verwaltung entscheiden kann.“ Dazu merkt Gerd Nielsen an: „Die Gemeinde Sylt vereinigt  75 Prozent der Bevölkerung, der Übernachtungen und der Aufgaben wie Krankenhaus, Altenheim, Bahnhof oder Schulen in ihrem Bereich.  Diese Unterschiede demokratisch repräsentativ und bürgernah zu gestalten, dazu ist eine Amtsverwaltungs- Konstruktion nicht geschaffen und nicht fähig. Ein bürgerferner Amtsausschuss ist nicht die Antwort auf die Fragen der Zukunft.“

Auch SPD-Vorsitzender Peter Marnitz sieht durch das Amtsmodell die gewählten Gemeindevertretungen degradiert und die Gefahr, dass hauptsächlich Parteieninteressen im Vordergrund stehen: „Wenn die Verwaltung der Gemeinde zur Amtsverwaltung wird, verliert der gewählte, aber bei der CDU unbeliebte Bürgermeister seinen Einfluss und wird zum hochbezahlten Verwaltungschef ohne Verwaltung. Stattdessen kann die voraussichtlich christdemokratische Mehrheit im Amtsausschuss einen der Partei genehmen Amtsdirektor bestimmen. Einem solchen Verwaltungschef wird man vielleicht dann mit dem Segen des Landes und des Kreises einen Haushalt genehmigen, den man dem Bürgermeister vorher verwehrt hat. So kann sich dann die neue bürgerfernere Struktur in einem unverdienten Glanz sonnen. Das Geld wird dann auch gebraucht, denn der im Prinzip aufgabenlose aber zu bezahlende Bürgermeister wird zumindest einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten – die dann auch zusätzliche Kosten verursachen.“

Verlierer bei einem so grundlegenden Wandel der Insel-Struktur, da sind sich die Sozialdemokraten einig, ist die kommunale Demokratie und Meinungsvielfalt: „Wer sich für ein gesamtinsulares Gremium stark macht, sollte sich konsequent für eine Gemeindevertretung einsetzen, die Entscheidungen für die ganze Insel treffen kann. Wir wollen schon seit langem eine Fusion der Inselgemeinden. Dabei kann und muss der Charakter der einzelnen Inselorte gewahrt bleiben. Mit einer Verwaltung, die beim Amtsmodell von einem kaum durchschaubaren Ausschuss kontrolliert wird, werden die Selbstverwaltungsgremien entmachtet und die Politikverdrossenheit auf kommunaler Ebene gefördert.“