Falsche Signale

Unsere Insel ist wieder einmal in den Schlagzeilen. Sollen wir uns in diesem Falle darüber freuen? Schließlich ist es ja ein demokratisch gewählter Volksvertreter, der hier sein privates Glück feiert.

„Nein, das ist außer für Herrn Lindner und seine Heirats-Festival-Entourage kein Grund, sich für unsere Insel zu freuen.“ Das meint zumindest der SPD Ortsverein Sylt. „Von diesem dreitägigen Festival geht ein völlig falsches Signal aus für unsere Insel und auch für die Politik im allgemeinen“, so der Gemeindevertreter Gerd Nielsen und der Ortsvereinsvorsitzende Peter Marnitz.

Die Kommunalpolitiker ziehen in Zweifel, dass in Zeiten eines Krieges, der Corona-Krise und der auch auf unserer Insel wachsenden Armut, so öffentlichkeitswirksam höfische Pracht und hemmungslose Luxusgehabe präsentiert werden muss.

„Wir gönnen jedem sein privates Glück und freuen uns natürlich, wenn man dieses Glück auf unserer Insel findet. Es ist aber ein Unterschied, ob ich als vom Volk gewählter Politiker privat und diskret genussvoll feiere, oder mich ins Scheinwerferlicht dränge und in feudalem Stil meine Festivität öffentlich zelebriere“, kritisieren Nielsen und Marnitz das dreitägige Vermählungs-Festival des Bundesfinanzministers. Wer kurz vor seiner Prunkfeier noch die Wiedereingliederungshilfen für Langzeit-Arbeitslose von 609 Millionen Euro auf 5 Millionen herunterkürzen will und sich dann so hemmungslos präsentiert, könne, so die SPD-Politiker, nur als „abgehoben“ bezeichnet werden.

„Das fördert das Vorurteil gegen ,die Politiker, die nur an sich selbst denken und sowieso machen, was sie wollen‘. Für uns als ehrenamtliche Kommunal-Politiker ist so ein Verhalten ein Schlag ins Gesicht“, empört sich der Vorstand des SPD-Ortsvereins Sylt. Das fördere die schon weit verbreitete Politik-Verdrossenheit.

Dazu komme auch, dass durch solche „Events“ das Image Sylts als „Insel der Reichen und Schönen“ wieder zementiert werde. Dass auf der Insel gut 18.000 Menschen leben, die sich vielfach mit harter Arbeit ein bescheidenes Leben ermöglichen, werde dabei völlig außer Acht gelassen.

„Wir wünschen uns hier als Gäste Menschen, die um der Insel wegen nach Sylt kommen und unsere Heimat nicht nur als Party-Location und als Kulisse für eine fürstliche Hochzeit sehen“, erläutert Peter Marnitz die mehrheitliche Haltung des Ortsvereins. In diesem Zusammenhang wird auch der angekündigte Besuch von Kanzler Olaf Scholz, der sonst seine Urlaube äußerst diskret auf der Insel verbringt, kritisch gesehen.

Pikant finden die Sylter Genossen auch, dass Lindner und seine Frau evangelisch getraut werden, obwohl beide nicht der Kirche angehören sollen. „Das ist ein praktisches Steuerspar-Modell des Finanzministers“, kommentieren Nielsen und Marnitz: „Keine Beiträge zu zahlen und trotzdem Leistungen in Anspruch zu nehmen, das ist nicht unsere Art. Zu den Grundprinzipien unserer Partei gehört Solidarität und nicht so deutlich zur Schau getragener Egoismus.“